Murnaus Nosferatu-Klassiker
Die Figur des Nosferatu basiert stark auf Bram Stokers „Dracula“, einem der bekanntesten Vampirromane der Welt. Allerdings hatten die Macher von Murnaus Film keine Rechte an Stokers Werk. Daher wurde aus „Dracula“ der Name „Nosferatu“. Ich sah Murnaus berühmten Stummfilm vor einigen Jahren im Berliner Babylon-Kino. Es spielte sogar ein Live-Orchester, wie bei seiner Erstvorführung, im Jahr 1922.
Mich berührte Murnaus Nosferatu, der mit seinem abstoßenden Äußeren, dem starren Blick und den pupenhaften Bewegungen wie ein seltsames Tier wirkt. Und wer kennt nicht die ohnehin schon großen Klauenfinger, die als Schatten an der Wand noch überdimensionaler erscheinen?
Gleichzeitig schwingt eine subtile Erotik mit, die den Horror des Vampirs eng mit dem Begehren verknüpft. Eine junge Frau, die auf sein Schloss gekommen ist, wandelt nachts schlafwandlerisch darin umher. Vor Spannung presste ich meine Finger in die Sitzpolster, als sie vor mir auf der Leinwand auf Nosferatus tödliche Umarmung zusteuerte.
Nosferatus Biss in den Hals ist triebhaft, animalisch und zugleich fein – ein Sinnbild für unkontrollierbares, gefährliches Begehren. Der Vampir verkörpert nicht nur das Fremde und Unheimliche, sondern auch das erotische Begehren, das gesellschaftlich verdrängt und zugleich als Bedrohung empfunden wird.
Werner Herzogs Nosferatu
Werner Herzogs Nosferatu (1979) ist viel menschlicher. Klaus Kinski spielt einen blassen, von Einsamkeit gezeichneten Dämon, dessen Berührung zwar tödlich, aber auch von einem seltsamen Begehren durchzogen ist. Es ist eine düstere, melancholische Erotik mit, die den Horror des Vampirs mit einem Gefühl tragischer Sehnsucht verbindet.
Besonders in den Szenen mit Lucy (Isabelle Adjani) entfaltet sich diese Ambivalenz: Ihre blasse Schönheit, ihre schlafwandlerische Hingabe an den Vampir, und die stille, fast zärtliche Nähe, die sie mit Nosferatu teilt, wirken wie ein Tanz zwischen Tod und Verlangen. Der Vampir ist hier ein tragischer Außenseiter, dessen Begehren nie Erfüllung findet. In Herzogs Vision ist Nosferatu nicht nur ein Monstrum – er ist auch ein Symbol für eine unerfüllte, verbotene Sehnsucht, die zugleich anzieht und zerstört. Es hat fast etwas Romantisches. Dieser Nosferatu-Film ist mein liebster.
Robert Eggers Nosferatu
Ich bin auf die Idee gekommen, einen vergleichenden Essay über Nosferatu-Filme zu schreiben, als ich vor ein paar Wochen Robert Eggers Nosferatu-Film gesehen habe. Er ist erst in diesem Jahr erschienen.
Hier ist Nosferatu ein obsessiver, manipulativer Schatten, der Ellen seit ihrer Kindheit verfolgt. Ihr Verhältnis ist von einem Machtgefälle bestimmt – Nosferatus Begehren wirkt invasiv, kontrollierend, fast wie ein Symbol für patriarchale Gewalt. Anders als in früheren Versionen romantisiert Eggers diese Dynamik nicht, sondern zeigt das Begehren als zerstörerische Kraft, die Ellen zum Opfer macht. Ihre finale Selbstaufopferung, als sie Nosferatu in der Morgendämmerung besiegt, wird nicht als romantische Vereinigung inszeniert, sondern als Akt verzweifelter Selbstbestimmung.
